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Interview mit Dorle Gothe, Regionalwert AG

Dorle Gothe ist Vorstand und Geschäftsführerin der Regionalwert AG Rheinland. Sie studierte Ökologischen Landbau und Nachhaltige Regionalentwicklung an der Universität Kassel in Witzenhausen.

WILA Bonn: Frau Gothe, Sie vertreten die Interessen von ökologisch wirtschaftenden Landwirten in der Köln-Bonner Region. Dadurch haben Sie einen guten Einblick in die Interessen, Sorgen und Nöte der Bauern vor Ort. Ist der Klimawandel bei den Landwirten ein Thema und wenn ja, an welcher Stelle zeigt sich das veränderte Wetter am deutlichsten?

Frau Gothe: Die Landwirte sind durch den Klimawandel wahrscheinlich so direkt und unmittelbar betroffen wie keine andere Branche. Gerade die zunehmenden Wetterextreme erhöhen im Anbau von Obst und Gemüse das Ausfallrisiko enorm.

Gerade im letzten Jahr war das leider sehr deutlich, eine lang anhaltende Trockenheit und ein Kälteeinbruch im Frühjahr hat im Obstbau zu rund 50 Prozent Ernteverlust geführt, weil die Obstblüte erfroren ist. Der Herbst war dagegen von Starkregen geprägt, so dass ganze Felder mit Ackerfrüchten unter Wasser standen. Nun werden viele sagen, Wetterextreme gab es immer mal, doch sie häufen sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten. Und das Risikio tragen die Landwirte. Welche Flächen es trifft, ist sehr individuell, sowohl bei Trockenheit, Frösten, Starkregenfällen oder Stürmen. Betriebe, die viele oder mehrere Standbeine haben, haben da einen Vorteil, fällt ein Betriebszweig aus, können andere ihn auffangen. Vielfältige Betriebe sind daher in unseren Augen besser für die Zukunft aufgestellt.

Eigentlich haben wir hier im Köln-Bonner Raum sehr gute klimatische Bedingungen und auch die Bodenqualität ist besonders hoch. Leider verlieren wir aber fruchtbarste Böden vermehrt an Baugebiete. Und durch die hohe Nachfrage nach Bauland steigen die Pachtpreise und für Landwirte wird es immer schwieriger, auskömmlich zu wirtschaften.

WILA Bonn: Welche Konsequenzen hat das für die Landwirte und wie gehen sie damit um?

Frau Gothe: Seit Jahrzehnten gibt es einen Strukturwandel in der Land- und Ernährungswirtschaft, der zu größeren und spezialisieren Betriebseinheiten führt. Auch die höheren Pachten und ein höheres Ausfall-Risiko führen eher zu einer intensiveren Nutzung des Bodens. Dagegen werden Dünger und Futtermittel vermehrt importiert und viele der arbeitsintensiven Produkte gibt es weniger, wie z.B. Beerenobst oder Obst allgemein. Die verbleibenden Betriebe setzten zudem vermehrt chemische Hilfsmittel ein, um höhere Erträge in weniger Arbeitszeit erwirtschaften zu können.

Eine intensive, konventionelle Bewirtschaftung hat aber langfristige Folgen, deren Ausmaß sich oft erst nach Jahrzehnten zeigt. Ganz eindeutig ist es nicht herzuleiten, doch der Rückgang von Insekten um 70 Prozent, die hohe Nitratbelastung der Böden oder der Rückgang der Bodenfruchtbarkeit sind schon sehr starke Argumente, um eine schonendere Bewirtschaftung anzustreben. Außerdem gehen dadurch positive Eigenschaften verloren, die bei Wetterextremen helfen können. So hat humusreiche, aufgelockerte Erde mit vielen Regenwürmern - ca. 4 Tonnen je Hektar im Ökolandbau - eine höhere Wasserspeicher- und Wasserleitfähigkeit und kann dadurch Überschwemmungen besser abmildern. Im Vergleich zu den versiegelten Flächen durch Straßen und Häuser in Neubausiedlungen gilt dies erst recht.

Leider ist der Anteil des Ökologischen Landbaus im Rheinland sehr gering, im Ackerbau bei lediglich 1 Prozent, insgesamt mit Tierhaltung in ganz NRW bei rund 5 Prozent. Dafür, dass wir in der Region mit mehreren Millionen Einwohnern eine vergleichsweise hohe Nachfrage nach ökologischen Lebensmitteln haben, ist die Anbaufläche erstaunlich gering. Die hohen Zuwachsraten im Bio-Markt werden demnach zunehmend mit Importen gedeckt und wir verzichten auf ein hohes Potential - sowohl wirtschaftlich als auch im Hinblick auf die ökologischen Vorteile für Boden, Wasser, Luft, Artenvielfalt und unsere Gesundheit.

WILA Bonn: Wo besteht besonders großer Handlungsbedarf in den kommenden Jahren und wer könnte dabei helfen?

Frau Gothe: Die größte Herausforderung ist der Klimawandel und die Notwendigkeit, die CO2-Emissionen drastisch zu senken. Landwirtschaft und Ernährung müssen ökologischer und regionaler gestaltet werden. Dafür muss der Ackerboden für Landwirtschaft geschützt werden, alle landwirtschaftlichen Verbände, ob konventionell oder biologisch, müssen dafür zusammenarbeiten.

Den größten Einfluss haben die Konsumenten, doch die sind mit den vielen Informationen oft überfordert. Im Dschungel der Label, Verbände und Auszeichnungen ist es nicht einfach, wirklich nachhaltige Produkte zu erkennen. Viele Informationen werden verkürzt dargestellt, „nachhaltig“ ist kein geschützter Begriff und wird für jedes zweite Produkt verwendet. Viele Konsumenten setzten auch „Bio“ mit „Regional“ gleich, dabei betrifft das eine schonende Anbaumethoden und artgerechte Tierhaltung bzw. kürzere Transportwege und regionales Wirtschaften – für den Klimaschutz ist beides wichtig. Deswegen bauen wir mit der Regionalwert AG Rheinland ein Partnernetzwerk auf, in dem Erzeuger, Verarbeiter, Händler und Gastronomen besonders nachhaltig wirtschaften: regional, bio und fair und belegen das anhand von etwa 80 Kriterien.

So sagt der Ort der Herstellung allein noch nicht so viel aus. Ein gutes Beispiel ist das „Regionale Ei“. Für uns ist es erst wirklich regional, wenn auch das Futter für die Tiere aus der Region bzw. zumindest aus dem eigenen Land kommt - und nicht, wie so häufig, aus Südamerika oder Afrika. Die Treibhausgase die dabei entstehen sind enorm und völlig unnötig.

Ein starker politischer Anreiz hierzu wäre, Subventionen gezielt für Klimaanpassungsmaßnahmen, für ökologische, regionale und energieeffiziente Verarbeitung einzusetzen bzw. den energieintensiven künstlichen Stickstoffdünger durch eine CO2-Abgabe zu besteuern. Darüber hinaus wäre es förderlich, die wahren Preise zu berücksichtigen, also auch die externen Kosten wie z.B. Grundwasserreinigung einzurechnen. Methodisch geht das schon lange, politisch wird es aber bisher leider noch nicht umgesetzt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Holger Wolpensinger am 02.01.2018 für den WILA Bonn e. V.

www.regionalwert-rheinland.de

 

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